Forschungen Engi Hanburger

Die Gründungszeit der Leisitenbächlikorporation: Hochwasserschutz im Kleinen

Die Gründungszeit der Leisitenbächlikorporation: Hochwasserschutz im Kleinen

Der ungefähre Verlauf des Leisiten- oder Leinsitenbächlis, eingezeichnet in das unter http//:map.geo.admin.ch aufrufbare Luftbild des zu Engi Dörfli gehörenden Gebiets. Die meisten Anstösser wohnen in der Siedlung links der Bildmitte, am unteren Bildrand. Im oberen Teil (rechts oben im Bild) ist das Bächlein in zwei Äste aufgeteilt, welche südlich bzw. nördlich des kleinen Wäldchens die Schlattstrasse queren. Unterhalb des Wäldchens vereinigen sie sich. Nach der abermaligen Querung der Schlattstrasse verläuft das Bächlein heute unterirdisch hangabwärts bis zur Leisiten- und Dorfstrasse, welche es quert, um parallel zu letzterer, ebenfalls unterirdisch, dem Mülibach entgegen zu fliessen (Copyright swisstopo).

Am 4. Mai 1890 wurde im Kanton Glarus ein Gesetz zur obligatorischen Gründung von Bachkorporationen in Kraft gesetzt. Es war dem Schutz von Gebäuden, Grund und Boden vor den durch Hochwasser und Rutschungen verursachten Schäden gewidmet und regelte die Pflichten der Anstösser und der politischen Aufsichtsorgane (Gemeinde, Kanton). Die Neuerung trug Konfliktstoff in sich. Hier interessiert die Anfangszeit der Leisitenbächlikorporation, die bereits am 14. September 1890 auf Anordnung der kantonalen Baudirektion gegründet wurde. Am 15. Dezember 1899, also erst neun Jahre später, teilte die auf Gemeindeebene eingesetzte Schatzungskommission den Anstössern mit, welche Lasten sie inskünftig zu tragen hätten. Der kantonal verordnete Hochwasserschutz stiess auf den Widerstand Betroffener und provozierte Rekurse: 15 Liegenschaftsbesitzer erhoben gegen die Verfügung der Korporation Einsprache, die aber von der Baudirektion am 28. April 1900 abgewiesen wurde. Zu den Beschwerdeführenden gehörten zum Beispiel Mathäus Marti, Fuhr, und Konrad Marti, Fährenboden. Mein Urgrossvater, Jakob Marti, Waisenvogt, war Mitglied der Kommission, welche die undankbare Aufgabe hatte, die Veranlagung des beitragspflichtigen Besitzes vorzunehmen. Einmal mehr befanden sich private und als öffentlich definierte Interessen im Konflikt – ein Dauerbrenner in der Geschichte der dörflichen Bachkorporationen.

Die ersten Statuten der Leisitenbächlikorporation (später auch Leinsitenbächlikorporation genannt) sind auf den 13. Januar 1901 datiert und wurden vom Regierungsrat bereits am 14. Februar gutgeheissen.

Ein Zahlungspflichtiger hatte im Interesse der Korporationsmitglieder verlangt, den Holztransport über die durch das Rutschgebiet führende Waldschneise (,Holzritt’) zu verbieten. Mit einer langatmigen Begründung nahm am 7. Juni 1901 die Baudirektion Stellung zur entsprechenden Beschwerde der Leisitenbächlikorporation, die eine Verlegung des betreffenden ‘Holzrittes’ in ein Gebiet weiter östlich (Herrenegg, Trog, Dachebode, Chlebigehoschtet, Speichehoschtet) vorschlug.[1] Gegen diese topographische Verschiebung setzte sich wiederum Hans Wyss, der im ,Grund’ wohnte, zur Wehr. Der Kompromiss der Baudirektion bestand darin, dass man den neuen Transportweg halbherzig befristete und so wohl niemanden ganz zufriedenstellte. Denn die schwammige Formulierung lautete: «[…] so mag vorläufig die Verpflichtung genügen, daß für einige Jahre der Holztransport über das Gebiet der Leinsitenkorporation möglichst unterbleiben soll.»[2] Auch die Ableitung des Leisitenbächliwassers in den Mühlebach regelte derselbe regierungsrätliche Entscheid, der die Notwendigkeit dieser Massnahme verteidigte und Einsprachen abwies.

Die Konflikte, nicht nur in der Gründungszeit, wecken Interesse, die Geschichte der Bachkorporationen auf dem Gebiet des Dorfs Engi ausführlicher zu erzählen. Die Korporationsgeschichte wirft nämlich ein Schlaglicht auf das Verhältnis der Engeler zu den Naturgefahren, zu Reaktionen auf die Beschränkung individueller Interessen durch öffentliche und halböffentliche Bestimmungen. Immer wieder entstanden Streitigkeiten. Die verordneten Lösungen waren oft unbeliebt, denn es ging und geht bei all dem um Geld.


[1] Die Orthographie der Flurnamen wurde aus dem Buch über die Flurnamen von Engi, hrsg. vom Ortsgeschichtsverein Engi, Engi 2010, übernommen. In den für die Gründungsgeschichte der Korporation herangezogenen Quellen ist von der ‘Leisiten-Corporation’ die Rede.

[2] Entscheid der Baudirection des Kantons Glarus vom 7. Juni 1901 und die hier dem handschriftlichen Dokument entnommene Passage (S. 5f.) in der Abbildung. Ruth Blumer-Brunschweiler danken wir, dass sie uns die Korporationsunterlagen überliess.

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