Forschungen Engi Hanburger

Schwimmen im Kanal

Schwimmen im Kanal

Der Kanal, noch im 19. Jahrhundert für den Betrieb der Weberei im Hinterdorf angelegt, wie ihn August Berlinger, Glarus, fotografierte, bevor die Anlage zwischen Ende 2011 und Herbst 2012 total erneuert wurde. Das Wasser fliesst seither wenige Meter nach der Entnahme aus dem Sernf in einer unterirdischen Druckleitung zum Kleinkraftwerk.

Es waren wieder einmal wunderbare Sommertage, und wir Kinder hatten Schulferien. Wir lechzten nach Abkühlung. Ein Schwimmbad gab es aber erst in Schwanden, und mit dem Velo von der Badi zurückzufahren nach Engi Hinterdorf war sehr anstrengend, vor allem weil man ja schon müde vom Schwimmen und Herumplanschen war. Früher hatten wir in einer grossen Wassergelte gebadet, manchmal zu dritt, doch dafür fühlten wir uns nun definitiv ‚zu gross‘. Meine zwei Brüder entdeckten darum den Kanal in Engi Hinterdorf, wo wir auch wohnten. Nicht weit von unserm Haus entfernt endete der Kanal, der etwa 100 m südlich der Erlenbrücke vom Sernf abgezweigt wurde. Früher wurde die Wasserkraft des Kanals für die Weberei im Hinterdorf genutzt.

Der Kanal hatte einen ‚rechten Zug‘. Wow! Es war nicht ungefährlich, sich vom Wasser treiben zu lassen und rechtzeitig vor dem Rechen zu halten. Dort aber war eine kleine Eisenleiter, an der man aus dem Wasser hochklettern konnte. Ich war mit zweieinhalb Jahren an Polio erkrankt. Mein rechtes Ärmchen war etwas dünner geblieben als normal. Aber dank dem Kinderspital Zürich, das für Gelähmte jedes Jahr Badekuren in Leukerbad oder Bad Ragaz mit Schwimmunterricht anbot, konnte ich recht passabel schwimmen. Doch auch so war ‚der Zug‘ des Wassers im Kanal eine Herausforderung. Es ist daher umso erstaunlicher, dass es mir meine Eltern erlaubt hatten, mit meinen Brüdern ins ach so kalte Wasser zu steigen. Brrr! Das war kein geheiztes Schwimmbad! Doch es war auch so einfach herrlich. – Solange meine Brüder, Thes und Peter, bei mir waren, hatte ich vor nichts wirklich Angst. Sie waren es, die mich gelehrt hatten zu gehen, Velo zu fahren, Jahre später Bergwanderungen zu machen usw. Sie waren sozusagen meine Lebensversicherung. Und offensichtlich waren auch meine Eltern dieser Meinung, sonst hätte ich als behindertes Kind nicht die Hälfte unternehmen dürfen.

Mutter schneiderte mir also einen Badeanzug, auf den ich richtig stolz war. Thes oder Peter halfen mir jeweils ins Wasser zu steigen. Und sie waren beim Sich-treiben-Lassen vom Wasser immer an meiner Seite. War das ein Gejohle und Geplansche… Nur schon die Erinnerung daran macht mich heute noch glücklich.

Der Kanal verläuft heute unterirdisch durch ein dickes Rohr. Das Wasser wird durch die Weseta Kraftwerke AG sehr profitabel in Form von Elektrizität genutzt. Unser ‚lässiges Schwimmbecken‘ ist somit verloren gegangen. Aber die Kindheitserinnerungen kann uns niemand nehmen. Ist so etwas nicht ein unbezahlbarer Schatz?

Anna-Käthi Walther

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