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Verschwundenes Ölbild eines Engelers wird zum Zauberbild

Verschwundenes Ölbild eines Engelers wird zum Zauberbild

‘Engi.Fabelhaft.’ von Arthur F. Posillo. Öl auf Leinwand, 105x98 cm, gerahmt, mit 3 D-Elementen. © Copyright by Anna-Käthi Walther / Arthur F. Posillo (Bioting AG, CH-8266 Steckborn)

"Das ‘Pulsterewiibli’ vom Fittereggli
wirbelt zum Werch Spinnen.
Mythos aus der Jugendzeit,
Geistflügel am Vollmond:
Gespenster. Schauder. Entfaltung.
Frühe Welt voll Ungeheuer
und skurriler Gestalten.

‘Stotziger’ Weg.
Jungtannensetzen am Zindelchopf.
Skifahren im Stäfeli.
Abenteuer. Spiel-Platz:
Entdecken. Erkunden. Erleben.
Und so manche Übelkeit.

Und viel Wasser
ging danach den Sernf
hinab."

Posillo

Was mit Realienheft-Zeichnungen in der Primarschule Engi begann, setzt sich – 60 Jahre später – fort im Gestaltungswillen des Arthur F. Posillo (Künstlername von Peter Baumgartner, dem jüngsten Sohn des Ehepaars Matthäus und Didi Baumgartner, wohnhaft gewesen bei der ehemaligen Post, Hinterdorf). Arthur Frederic Posillo hat heute mit 75 Jahren seine Leidenschaft fürs Ölmalen wieder entdeckt und eine beachtliche Galerie an interessanten Gemälden geschaffen.

Er zeichnete und malte in der Jugend mit Stift und Plakatfarben auf Papier. Ölfarben und Leinwand waren damals fast unerschwinglich. Sein erstes Ölbild auf Leinwand überhaupt entstand etwa im Jahre 1960: Es war ein Gemälde des Fittereggli. Er schenkte es seinen Eltern. Dieses Werk aber verschwand Jahre später spurlos. Der Künstler entschloss sich, ein neues zu erschaffen, schöpferisch aus der Erinnerung heraus. Ein Schwarzweissfoto des Fittereggli [1] wurde im Jahre 2021 zur einzigen Vorlage für ein ‘verwunschen’ anmutendes Ölgemälde, das mit viel Fantasie und vollgepackt mit Jugenderinnerungen den damaligen Zauber auf uns Kinder einfängt.

Plastisch aufgesetzte Elemente, wie Windrädchen, Maikäfer, Farbstifte, Zauberstab (Wurzel bemalt), sind ein typisches, zusätzliches Gestaltungsmittel des Malers. Zur Besonderheit gehört zudem die attraktive, ‘wirblige’ Darstellung des ‘Pulsterewiiblis’. Die auch ‘Ruuswiibli’ genannte Sagengestalt kam damals wohl nicht ganz so sexy daher. Oder etwa doch?

Was sind nun die Ingredienzen dieses neuen, beeindruckenden Fittereggli-Ölbildes? Welche Jugenderinnerungen sind darin gestaltet? Von der heutigen Waldstrasse im Hinterdorf vorbei am Gfell bis zum Fittereggli ging es für uns Kinder sehr ‚stotzig‘ hinauf. Wie froh war da jeder, beim Fittereggli-Haus sich auf einen Stein zu setzen. Die Aussicht von dort war traumhaft. Weiter ging es dann im Sommer zum Beispiel zum Zindelchopf, in dessen Nähe Jungtannen gesetzt wurden, oder im Winter mit den Skiern auf dem Buckel hinauf zum Stäfeli.

Das Fittereggli war tatsächlich auch ein sagenumwobenes Haus, das einen als Kind faszinierte, oft aber auch Hühnerhaut verursachte. Unsere Eltern hatten uns strengstens verboten, ins Haus einzusteigen. Es war zu unserer Zeit meistens unbewohnt, darum desto verlockender. Davor stand ein markanter Baum, den zu besteigen herrlich, obwohl ebenfalls verboten war. Einige Äste waren morsch und brüchig und mit Flechten behangen; letztere klebten wir uns als (Ziegen-)Bart oder Schnauz ins Gesicht. Der Baum wurde in unserer Vorstellung von Trollen und Geistern behütet, und die sollten eigentlich nicht gestört werden.

Das Fittereggli war auch ein Ort für alle möglichen Streiche und ‚Schandtaten‘. So konnte man dort heimlich rauchen. Natürlich hatten wir Kinder kein Geld für ‚Zigis‘. Darum waren die ‚Nielen‘ [2] ein hervorragender Ersatz. Der Schwester des Malers wurde es davon so kotzübel, dass sie schwor, sich solches nie mehr im Leben anzutun … Diesem Vorsatz ist sie bis heute treu geblieben! Das Fittereggli war zudem ein Zauberplatz, wohin einige junge Burschen die Mädchen ‚entführten‘, um ihnen den ersten Kuss abzuringen. Manchmal – so wurde gesagt – blieb es aber nicht beim ersten Kuss!

Mit seinem Ölgemälde erweckt Posillo eine längst verschwundene Zeit zu neuem Leben: Fabeln, Geister, sagenumwobene Orte – zu Berge stehende Haare, Glücksgefühle – Jugend eben!

Geschwister Anna-Käthi und Peter, alias Arthur F. Posillo

[1] Das Fittereggli. Foto Landesarchiv Glarus, aus dem Buch Engi – Ein historischer Spaziergang, Glarus 1996, S. 168; auf S. 170 befindet sich eine alte Aufnahme mit dem Elternhaus des Malers (kleines Bild, ganz rechts).

[2] Getrocknete Stängel der Gemeinen Waldrebe (Clematis vitalba L.).

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