Forschungen Engi Hanburger

Kreuelalp − vom Privat- zum Tagwensbesitz

Kreuelalp − vom Privat- zum Tagwensbesitz

Zur Engeler Alpgeschichte gibt es Vorarbeiten von Lehrer Martin Baumgartner-Knobel und von seinem Sohn, Lehrer Martin Baumgartner-Marti, der auf Quellenauszüge und Erkenntnisse seines Vaters zurückgreifen konnte.[1] Solange für die Glarner Nachrichten Lokalkorrespondenten tätig waren, ergriffen diese oft die Gelegenheit, aus bestimmtem Anlass in die Vergangenheit ihrer Gemeinde zurückzublicken. Später übernahm es für das Gross- und das Sernftal der Neujahrsbote für das Glarner Hinterland, die Geschichte der Region zu erzählen und über die Hauptgeschehnisse in den Dörfern im Jahreszyklus zu berichten.

Eine Lawine richtete im Januar 1951 an der Hütte und am Stall im Unterstafel der Kreuelalp schwere Schäden an. Dieses Naturereignis nahm der Engeler Korrespondent zum Anlass, in den Glarner Nachrichten einen geschichtlichen Exkurs über die Kreuelalp zu veröffentlichen.[2] Unglaubhaft für die Zeitgenossen, kommentierte er, „indem dort seit urdenklichen Zeiten noch nie eine Lawine eine Hütte bedrohte!“ [3] Der Schnee löste sich am Osthang des Siwellen und stiess bis zum Sernf in die Umgebung der Schreinerei in der Au vor. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war der untere Kreuel ein während des ganzen Jahres bewohntes Bergheimwesen. Ein nicht ungefährlicher Weg führte, dem Badkopfwasserfall entlang, ins Tal hinunter, der Kirchweg von oberhalb des Plattenbergs ebenfalls hinunter nach Engi-Hinterdorf. „Alte Leute wußten zu berichten, daß, als einmal im Winter bei hohem Schnee im Kreuelberg jemand starb, die Leiche 2−3 Wochen oben behalten werden mußte, bevor sie es wagten, diese zur Bestattung auf den Matter Friedhof zu tragen.“[4]

Die Alpen Kreuel und Laueli gelangten früh in Privatbesitz. Im Urbar von 1710 sind sie getrennt aufgeführt, unbestimmte Zeit früher zählten sie wohl zur Gandalp, ohne dass Genaueres über diese Zusammengehörigkeit bekannt wäre.[5] Die Kreuelalp war mit dem Unter-, dem Mittel- und dem Oberstafel eine der kleineren Alpen des Glarnerlands: In der Landeskunde erwähnt Oswald Heer gerade einmal ein Dutzend Kühe, 30 Rinder und Kälber, ebenso viele Schafe und Ziegen, die dort gesömmert wurden.[6]

Das 19. Jahrhundert war die Zeit der Alpkäufe durch die politische Gemeinde. Am 4. Dezember 1892 stimmte der Tagwen Engi dem Erwerb der Alpen Laueli und Kreuel, inklusive Glarnerwald, mit 135 Ja-Stimmen gegen 49 Nein zu. Dem Geschäft gingen Streitereien und Gerichtsprozesse mit dem früheren Besitzer, Ratsherr Jakob Kamm (6.1.1815−19.4.1888), Wirt zur Tellsplatte, aus Mühlehorn, voraus. Schliesslich hatte dieser dem Tagwen ein Angebot von 75000 Franken unterbreitet, der aber nur bereit gewesen wäre, 50000 Franken zu bezahlen. Erst nach dem Tod des privaten Eigentümers (1888) hatte man sich mit dessen Nachlassenschaft auf den Kaufpreis von 48000 Franken einigen können. [7]

Werfen wir einen Blick in den Vertrag, der nicht den geschilderten Übergang der Kreuelalp aus dem Privatbesitz in den der Gemeinde Engi, sondern eine Art Vorstufe dokumentiert. Im Entwurf treten Interessengegensätze ans Licht. Jeder Kontrahent war darauf bedacht, möglichst viele Vorteile zu ergattern.

Das Schriftstück ist auf den November 1887 datiert, trägt aber keine Unterschriften. Wie in solchen Übereinkünften üblich, wird in den ersten beiden Artikeln des Vertrags das in Frage stehende Gebiet mittels Flurnamen und Lagebezeichnungen, so genau wie damals möglich, beschrieben. Der dritte Artikel erwähnt ein Schiedsgericht, in dessen Hand Entscheidungen über strittige Fragen fallen sollen. Kamm beabsichtigte, sein privates Eigentum zu sichern , der Tagwen aber, dies nur mit Einschränkungen zu billigen. Die Gemeinde Engi wollte sich nämlich die Weide- respektive Atzungs- und die Durchfahrtsrechte der Ziegenherde in der Alp Laueli nicht schmälern lassen. Es sollen die „bestehenden Urkunden auch in Zukunft maßgebend sein.“[8] Als Teil der Kirchgemeinde Matt-Engi hielt der Tagwen Engi an dem der Kirchgemeinde zustehenden Wildheu fest. Andererseits durfte Kamm auf Gebiete, die im Vertrag nicht ausdrücklich als sein Eigentum bezeichnet waren, keinerlei Rechtsansprüche anmelden. Auch diesen Passus schränkten Ausnahmebestimmungen ein. Denn das Schiedsgericht hätte bestimmen müssen, welche Weiderechte „in den zwischen dem Schwammgebiet am Kräuel und der Berglialp, sowie dem sog. Waldplatze“ dem Alpbesitzer zukommen.[9] Der Vertragsentwurf enthielt seinerseits viel Konfliktstoff

Der Tod Jakob Kamms machte dem jahrelangen Zwist ein Ende und dem Tagwen Engi den Weg für den Alpkauf frei − aus der Sicht des referierten Vertragsentwurfs vom Vorjahr war dies noch völlig undenkbar.

 

[1] Mir liegt aus dem Nachlass der beiden Lehrer ein Dossier zur Geschichte des Kreuels vor, auf das ich mich hauptsächlich stütze. Zum Stand der Dinge vor zehn Jahren vgl. die Artikel von Werner Beerli-Kaufmann zu den Alpen Chreuel und Laueli im Glarner Alpbuch (Glarus 2014), S. 252−257. Auch zu den Alpen Fittern, Laueli und Gufel sowie zur Engeler Alpwirtschaft im Allgemeinen besteht in der Dorfgeschichte Nachholbedarf.

[2] [Martin Baumgartner-Marti]: Etwas über die Alp Kreuel. In: Glarner Nachrichten vom 13. Februar 1951, S. 3f.

[3] Ebd., S. 4.

[4] Ebd.

[5] Im Landesarchiv des Kantons Glarus (Abteilung Gemeindearchive) liegen Kaufbriefe aus dem 17. Jahrhundert, ferner ein Kaufvertrag von 1770 sowie Regelungen zu Schafweide- und zu Fahrrechten (1780).

[6] Oswald Heer, Johann Jakob Blumer-Heer: Historisch-geographisch-statistisches Gemälde der Schweiz. VII. Der Kanton Glarus. St. Gallen und Bern 1846 (Faksimile-Edition, Genève 1978), S. 625.

[7] Notizheft von Martin-Baumgartner-Knobel (Privatbesitz), S. 49.

[8] Vertrag zwischen dem ehrsamen Tagwen Engi einer- und Herrn alt Ratsherr Jacob Kamm zur Tellsplatte in Mühlehorn, als Eigenthümer der Alpen Laueli und Kräuel, sowie des Kräuelberges, andererseits. Dokument im Privatbesitz.

[9] Ebd., Art. 6.

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